Konflikt um Pestizideinsatz im Kernobstanbau

Fabian

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In der Bodensee-Region plant das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL), die Anwendung eines gefährlichen Pestizids zu verstärken, woraufhin der Grenzwert für die Rückstände des Giftes in Kernobst erhöht werden soll. Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) lehnt die vom BVL vorgeschlagene 20-fache Erhöhung des Grenzwerts für das Fungizid Folpet entschieden ab. Dieses Pestizid wird als wahrscheinlich krebserregend und erbgutverändernd eingestuft. Die Behördengenehmigung wird auch durch den bedrohten Hopfenexport in die USA und nach Japan beeinflusst.

Notfallgenehmigung aufgrund Wetterbedingungen

Aufgrund der feuchten Witterung in der Bodenseeregion besteht ein erhöhtes Risiko für Schorfinfektionen an Kernobst. Das bisher eingesetzte Pestizid Captan, das auch benachbarte Hopfenfelder durch Abdrift belastet, wird von den Abnehmerländern USA und Japan nicht toleriert. Daher wurde bereits eine Notfallgenehmigung für ein Fungizid mit dem Wirkstoff Folpet erteilt. Dies führt jedoch zu Rückständen, die den EU-weiten Grenzwert überschreiten, weshalb das BVL plant, den Grenzwert des Fungizids national vorübergehend zu erhöhen. Die betroffenen Äpfel und Birnen könnten daraufhin nur noch innerhalb Deutschlands verkauft werden.

Kritik an der Notfallgenehmigung

Corinna Hölzel, Pestizidexpertin des BUND, betont, dass die Notfallgenehmigung für das hochgefährliche Fungizid Folpet erteilt wurde, um den Hopfenexport nicht zu gefährden. Sie kritisiert, dass solche gefährlichen Substanzen, die akut toxisch sind und als wahrscheinlich krebserregend gelten, schnellstmöglich verboten werden sollten, statt ihren Einsatz zu erhöhen.

Zukunft der Landwirtschaft und Klimawandel

Der BUND sieht es als problematisch an, den Auswirkungen der menschengemachten Klimakrise durch regelmäßige Notfallzulassungen von Pestiziden und die Anhebung von Grenzwerten zu begegnen. Für eine nachhaltige und zukunftsfähige Landwirtschaft sind Maßnahmen erforderlich, die den Pestizideinsatz reduzieren, die Artenvielfalt schützen und die Gesundheit der Anwender und Verbraucher nicht gefährden. Alternativen zur Schorfreduktion sind widerstandsfähige Obstsorten, regelmäßige Baumschnitte und die Beseitigung von Falllaub, in dem Pilzsporen überwintern.

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Ästhetische Standards und Pestizideinsatz

Hölzel erläutert, dass Schorf vorrangig ein ästhetisches Problem darstellt und im Gegensatz zu Pestizidrückständen im Obst kein gesundheitliches Risiko birgt. Sie fordert den Lebensmittelhandel auf, eine größere Toleranz gegenüber Ware mit Schönheitsfehlern zu zeigen, was sie als klüger, gesünder und nachhaltiger ansieht als das Befüllen der Regale mit makellosen Äpfeln.

Forderung an den Bundesagrarminister

Der BUND appelliert an den Bundesagrarminister Cem Özdemir, sich für eine Reduktion von Pestiziden einzusetzen und die Grenzwerterhöhung sowie die Notfallzulassung gefährlicher Pestizide zu stoppen. Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) sollte Obstbauern bei der Anwendung nichtchemischer Alternativen unterstützen und den Lebensmittelhandel dazu verpflichten, Ware mit Schönheitsfehlern zu akzeptieren.

Dieser Text beruht auf einer Pressemitteilung des BUND’s vom 13.08.2024