Das stille Sterben: Warum Amphibien unsere Hilfe brauche

Redaktionsleitung Kai

Laubfrosch in Deutschland
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Zwischen Frühlingsregen und kühlen Tümpeln beginnt alljährlich eines der beeindruckendsten Naturphänomene Mitteleuropas: die Wanderung der Amphibien. Frösche, Kröten und Molche verlassen ihre Winterquartiere und machen sich auf den oft kilometerlangen Weg zu ihren Laichgewässern. Doch was über Jahrtausende ein zuverlässiger Rhythmus im Jahreslauf war, gerät zunehmend aus dem Gleichgewicht. Amphibien gehören heute zu den am stärksten gefährdeten Wirbeltiergruppen weltweit. Ihre Bestände brechen vielerorts dramatisch ein – meist unbemerkt, still und leise.

Dieses stille Sterben ist ein Alarmzeichen für den Zustand der natürlichen Umwelt. Denn Amphibien gelten als besonders empfindliche Bioindikatoren, die Veränderungen im Ökosystem deutlich früher anzeigen als viele andere Arten. Ihr Rückgang steht damit nicht nur für das Verschwinden einzelner Tiere, sondern für eine schleichende Erosion ökologischer Stabilität. Verschiedene Ursachen überlagern sich und wirken gemeinsam: Lebensraumverlust, Zerschneidung von Wanderwegen, Pestizide, Krankheiten und die Folgen des Klimawandels treffen die Tiere in einer Phase, in der sie ohnehin zwischen Land und Wasser auf empfindliche Balance angewiesen sind.

Amphibien – ein Leben zwischen zwei Welten

Amphibien sind an zwei Lebensräume gebunden: das Wasser und das Land. Sie entwickeln sich aus Eiern, die im Wasser abgelegt werden, durchlaufen eine Larvenphase – wie Kaulquappen bei Fröschen – und wechseln dann ins Landleben. Diese doppelte Lebensweise macht sie besonders verwundbar. Intakte Laichgewässer sind ebenso wichtig wie strukturreiche, feuchte Landlebensräume, in denen sie den Rest des Jahres verbringen. Schon kleine Veränderungen in einem dieser beiden Bereiche können das Fortbestehen ganzer Populationen gefährden.

Besonders problematisch ist der Verlust kleiner Tümpel, Gräben und temporärer Wasserstellen, die durch Flurbereinigung, Bebauung oder die Vertiefung von Entwässerungssystemen verschwinden. Viele Amphibienarten sind auf genau diese temporären und fischfreien Gewässer angewiesen, weil dort ihre Eier nicht durch Fressfeinde bedroht sind. Geht dieser Lebensraum verloren, fehlt eine ganze Generation – und die Populationen brechen zusammen.

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Zerschneidung und Verkehr: Eine tödliche Kombination

Ein entscheidender Gefährdungsgrund ist die Zerschneidung der Landschaft. Straßen, Wege und Siedlungen blockieren nicht nur die traditionellen Wanderrouten der Amphibien, sondern werden zu regelrechten Todesfallen. Während der Laichzeit überqueren tausende Tiere Straßen, oft nachts und bei nassem Wetter. Der zunehmende Verkehr, auch auf kleinen Landstraßen, sorgt dafür, dass viele dieser Tiere die andere Seite nicht mehr lebend erreichen.

Amphibienzäune und Helfer, die die Tiere in Eimern sicher über die Straße tragen, sind vielerorts zu einem wichtigen Schutzinstrument geworden. Doch sie reichen nicht aus, um die langfristige Durchlässigkeit der Landschaft zu gewährleisten. Tunnel und Grünbrücken, die gezielt für Wildtiere angelegt werden, bieten zwar Lösungen, werden aber bislang zu selten und zu punktuell umgesetzt. Gerade für Amphibien, deren Populationen ohnehin kleinräumig organisiert sind, kann jede verlorene Verbindung eine lokale Auslöschung bedeuten.

Gifte im Lebensraum: Pestizide und Dünger als unsichtbare Bedrohung

Neben der physischen Zerstörung von Lebensräumen bedrohen auch chemische Substanzen die Existenz der Amphibien. Der Eintrag von Pestiziden, Fungiziden und Düngemitteln in Gewässer und Böden hat drastische Auswirkungen auf die empfindliche Haut der Tiere. Amphibien atmen zum Teil über die Haut, was sie besonders anfällig für wasserlösliche Schadstoffe macht. Schon geringste Konzentrationen können die Entwicklung der Larven stören, das Immunsystem schwächen oder die Fortpflanzungsfähigkeit beeinträchtigen.

Zudem verändert sich durch übermäßige Nährstoffeinträge die Zusammensetzung der Gewässer. Algenblüten, Sauerstoffmangel und veränderte pH-Werte schaffen Bedingungen, unter denen Amphibienlarven kaum überleben können. Auch die Zunahme von UV-Strahlung in flachen, vegetationsarmen Gewässern spielt eine Rolle, da Amphibieneier empfindlich auf Strahlung reagieren. All diese Einflüsse addieren sich – und führen zu einem schleichenden Rückgang, der kaum umkehrbar ist.

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Krankheiten auf dem Vormarsch

In den letzten Jahren breiten sich weltweit zwei Krankheiten aus, die Amphibien zusätzlich unter Druck setzen: die Chytridpilzinfektion und die Ranavirose. Beide Erkrankungen sind hochansteckend und können ganze Populationen in kurzer Zeit auslöschen. Die Chytridpilze befallen die Haut, stören die Wasser- und Salzregulation und führen in vielen Fällen zum Tod. Besonders betroffen sind Arten mit ohnehin kleinen Beständen oder isolierten Vorkommen.

Diese Krankheiten werden oft über den Handel mit exotischen Amphibien eingeschleppt oder durch unbeabsichtigte Einträge verbreitet. Eine konsequente Überwachung von Handelswegen und Schutzgebieten ist bisher kaum umgesetzt worden. Laut umweltcluster-nrw.de braucht es dringend klare Standards für Quarantäne und Monitoring, um weitere Ausbreitung zu verhindern. Auch hier zeigt sich, wie globalisierte Strukturen lokalen Arten schaden können.

Wandel durch den Klimadruck

Auch der Klimawandel trägt zur Verschärfung der Lage bei. Frühere Trockenzeiten und schwankende Wetterlagen beeinträchtigen das sensible Zusammenspiel zwischen Wanderzeit, Fortpflanzung und Entwicklung. Wenn Amphibien zu früh ihre Laichgewässer aufsuchen, bevor diese genügend Wasser führen, bleibt der Reproduktionserfolg aus. Wenn Regen fehlt, trocknen flache Gewässer vorzeitig aus und mit ihnen die Kaulquappen. Hitzewellen belasten zudem die erwachsenen Tiere, da sie auf feuchte Rückzugsorte angewiesen sind, um nicht zu dehydrieren.

Diese klimabedingten Veränderungen wirken nicht isoliert, sondern verstärken bestehende Bedrohungen. Trockenheit verschärft die Auswirkungen von Pestiziden, weil sie sich in kleineren Wassermengen stärker konzentrieren. Auch die Wanderbewegungen ändern sich – Tiere weichen aus und treffen dabei auf neue Barrieren, neue Gefahren und neue Risiken.

Fazit: Eine Zukunft für die lautlosen Überlebenskünstler

Amphibien sind uralte Überlebenskünstler, die seit Hunderten von Millionen Jahren auf der Erde existieren. Ihr leiser Rückzug aus der Landschaft ist mehr als ein Verlust an Artenvielfalt – er ist ein Symptom dafür, wie stark das ökologische Netz bereits beschädigt ist. Ihre doppelte Abhängigkeit von Land und Wasser, von sauberer Umwelt und vernetzten Lebensräumen macht sie besonders empfindlich – aber auch besonders wertvoll als Indikatoren für Umweltqualität.

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Der Schutz der Amphibien erfordert ein Zusammenwirken vieler Ebenen: naturnahe Gewässer müssen erhalten, wanderfreundliche Landschaften wiederhergestellt, chemische Belastungen minimiert und Krankheiten konsequent bekämpft werden. Es ist eine Aufgabe, die lokal beginnt – in Gräben, auf Äckern, an Straßenrändern – und deren Wirkung weit über einzelne Tümpel hinausreicht. Wenn Amphibien wieder eine Zukunft haben sollen, braucht es den politischen Willen, das ökologische Verständnis und den Mut zur Umgestaltung. Nur dann wird das stille Sterben gestoppt – und mit ihm vielleicht auch eine Vielzahl anderer, bislang unbemerkter Verluste.